Donnerstag, 3. Dezember 2009

Brief von Lenzen

Liebe Studierende der Universität Hamburg!

Wie Sie sicher erfahren haben, hat der Hochschulrat mich zum neuen Präsidenten der Universität gewählt und der Akademische Senat hat diese Wahl bestätigt. Es ist deshalb dringend Zeit, mich Ihnen allen persönlich vorzustellen und ein paar Worte zu dem möglichen gemeinsamen Weg zu sagen:

Ich bin vor wenigen Tagen 62 Jahre alt geworden, bin verheiratet, habe drei Söhne und ein Enkelkind. Ich bin Erziehungswissenschaftler und habe lange Zeit über die Probleme geforscht und gelehrt, die uns heute alle beschäftigen: den richtigen Weg für die Bildung der nachwachsenden Generation zu suchen. Dieser Weg ist nicht
leicht zu finden. Ich persönlich bin aber davon überzeugt, dass die Gestaltung einer Zukunft unserer Hochschule gelingt, wenn Grundsätze und Überzeugungen gemeinsam getragen werden, die in unserer Zeit bedeutsam sind.

1. Die Universität Hamburg ist eine sehr gute- Universität, die zu Unrecht von manchen für mittelmäßig gehalten wird. Daten und Erfahrungen sprechen für die Qualität der Universität Hamburg.

2. Die Universität Hamburg ist eine Volluniversität und muss es bleiben, weil ihre Fächervielfalt eine ihrer Stärken ist. Dieses gilt insbesondere für die Geisteswissenschaften, die in Deutschland so oft missachtet worden sind. Gerade meine Erfahrung an der Freien Universität Berlin zeigt, wie wichtig es ist, diese Geistes- und Sozialwissenschaften zu stärken und welcher Erfolg damit verbunden werden kann.

3. Die Universität Hamburg hat eine große Geschichte des bürgerschaftlichen Engagements in der Demokratie. Sie steht für Freiheit und für einen gerechten Umgang der Menschen miteinander. Deshalb halte ich das gegenwärtige Hochschulgesetz für revisionsbedürftig. Es hat Möglichkeiten der Willensbildung in der Universität, zum Beispiel unterhalb der Ebene der Fakultäten, zu Unrecht erschwert.

4. Die Universität Hamburg hat einen gesellschaftlichen Auftrag, aber sie
ist nicht Auftragnehmerin von Einzelinteressen. Als öffentliche Universität
muss sie Verantwortung für die Ausbildung der nachwachsenden Generation
und für de Forschung übernehm:n.—

5. Bildung, wenn sie wirklich Bildung sein soll, ist immer Selbstbildung und nicht Fremdbildung. Das heißt, Lernen ist ein autonomer Vorgang, der im Bewusstsein jedes einzelnen Menschen individuelle Wege nimmt. Diese dürfen nicht durch Überregulierung und Bürokratismus behindert werden. Die Reform des Bologna-Prozesses ist deshalb dringend überfällig. Es müssen Freiräume geschaffen und Druck gemindert werden, unter anderem dadurch, dass Anwesenheit nicht unpädagogisch erzwungen und kleinlich kontrolliert wird, dass Lehrpläne nicht überfüllt sind, dass die sog. workload und Leistungspunkte realistisch berechnet werden und dass Lehrende und Lernende sich gemeinsam um den Weg zur wissenschaftlichen Wahrheit bemühen.

6. Das Studium an einer Universität darf nicht durch Geldforderungen erschwert werden. Aus dem Beispiel USA wissen wir, dass Studiengebühren sehr wohl Menschen aus Familien mit niedrigem Einkommen ausschließen können. So ist die Beteiligung von wirtschaftlich schlechter gestellten Menschen an der höheren Bildung nur halb so groß wie die Beteiligung derjenigen, die über ein höheres Einkommen verfügen. Das ist nicht hinnehmbar.

7. Die Universität Hamburg ist eine Universität mit hoher Internationalität. Dies muss erhalten und ausgebaut werden. Deswegen gilt es zuerst, jede Form der Ausländerfeindlichkeit gerade auch in subtilen Formen zu bekämpfen und den Menschen aus aller Welt, Studierenden wie Lehrenden, eine offene Universität zu zeigen, die sich über ihre Anwesenheit freut.

B. Die Universität Hamburg ist forschungsstark. Dies ist auch für die Studierenden eine wichtige Tatsache, denn es gilt: Forschung und Lehre stellen eine Einheit dar. Qualitätvolle Lehre beruht auf qualitätvoller Forschung. Hervorragende Forschung und Lehre darf-man deshalb nicht gegeneinander ausspielen. Exzellenzstreben darf auf keinen Fall Vorrang vor dem Anspruch aller auf gute Lern- und Arbeitsbedingungen haben.

9. Die Universität Hamburg ist eine große Einrichtung, bei der es darauf ankommen wird, durch Serviceleistungen und gegenseitige Aufmerksamkeit das Studieren, Forschen und Unterrichten zu erleichtern. Das setzt gute Organisationsformen und ein Servicebewusstsein bei allen voraus, die für diese Universität arbeiten. Dazu möchte ich selbst ein Vorbild sein. Die Leitung und Verwaltung einer Universität sind eine wichtige Aufgabe, um Forschung und Lehre mitzutragen und zu unterstützen.

10. Die Universität Hamburg hat eine große Zukunft, wenn wir gemeinsam, kompetent, entschlossen und mit Optimismus diese Zukunft gestalten und uns nicht beirren lassen. Gemeinsam mit den Mitgliedern der Universität und den in Organen und Gremien Verantwortlichen sind die konkreten Wege zu suchen und sicherlich zu finden, die uns diese Zukunft erschließen.

Ich würde mich freuen, wenn wir den oben skizzierten Weg gemeinsam gehen könnten.
Einstweilen wünsche-Ichltmen weiterhin einen guten3 auf und bin mit herzlichen Grüßen
Ihr

Dieter Lenzen

lenzen zu alt?

-> HHsG §
§ 80 Rechtsstellung der Präsidentin oder des Präsidenten
(3) 1 Die Amtszeit beträgt sechs Jahre. 2 Wiederwahl und Wiederbestellung sind möglich; in diesem Fall kann die Amtszeit bis zu sechs Jahren betragen. 3 Kandidiert eine Präsidentin oder ein Präsident erneut und sind Hochschulrat und Hochschulsenat mit der Wiederbestellung einverstanden, ist sie oder er erneut dem Senat zur Bestellung vorzuschlagen, ohne dass ein Verfahren nach Absatz 2 durchgeführt wird.
4 Bestellt werden soll nicht, wer vor Ablauf der Amtszeit nach Satz 1 das 65. Lebensjahr vollenden würde; dies gilt nicht im Fall der Wiederbestellung nach Satz 2.
Quelle: http://hh.juris.de/hh/HSchulG_HA_P80.htm

Mittwoch, 2. Dezember 2009

Gästebuch

postet hier als kommentar alles, was euch
zur besetzung einfällt


grüße, solidaritätsbekundungen
kritik, vorschläge für aktionen etc..

liebe grüße
das audimax

Dienstag, 1. Dezember 2009

Wofür kämpft die neue Studentenbewegung?

Impulsreferat zur Diskussion im besetzten Audimax der Universität Hamburg, 01.12.09

„Die Forderung nach Mündigkeit scheint in einer Demokratie selbstverständlich“, so beginnt Adorno seine Ausführungen zur „Erziehung zur Mündigkeit“ und führt weiter aus: „Selbstverschuldet sei … [nach Kant in der „Beantwortung der Frage. Was ist Aufklärung?] … die Unmündigkeit … ‚wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines Anderen zu bedienen‘ … Demokratie beruht auf der Willensbildung eines jeden Einzelnen … soll dabei nicht Unvernunft resultieren, so ist die Fähigkeit und der Mut jedes Einzelnen, sich seines Verstandes zu bedienen, vorausgesetzt“. Doch ist laut Adorno die Voraussetzung der Mündigkeit, von der eine freie Gesellschaft abhängt, durch die Unfreiheit der Gesellschaft determiniert.

Dem möchte ich hinzufügen, dass die Unfreiheit der Gesellschaft nunmehr stärker mit dem Argument der wirtschaftlichen Sachzwänge des Gemeinwesens und jedes Einzelnen gerechtfertigt wird. So steht in der öffentlichen Diskussion um den Bologna-Prozess vor allem die Frage im Fordergrund, ob die neuen Abschlüsse von der Wirtschaft angenommen werden, weiter, ob der Standort Deutschland auf dem internationalen Markt mit seiner Forschung bestehen kann und wie die Absolventen sich innerhalb der herrschenden ökonomischen Verhältnisse durch die Reform besser zu behaupten lernen. Bekommen die Studierenden das richtige Rüstzeug für die Wettbewerbsteilnahme auf den Weg, sind die Wettbewerbschancen gerecht verteilt. Dabei kommt von vielen Seiten Kritik, dass dieses Ziel nicht durch die neuen Strukturen an den Universitäten erreicht wird, es müsse also Nachbesserungen geben, weniger Lehrstoff in der verkürzten Zeit, vielleicht eine Bafög-Erhöhung, um die soziale Ausgrenzung zu dämpfen. Lenzen fordert gar die Abschaffung der Studiengebühren. Es wird an einer Ausweitung der Stipendien gearbeitet, an denen sich die Wirtschaft stärker beteiligen soll. Studiengebühren, so deren Befürworter, sollen nicht sozial ausgrenzen, sondern den Studenten eine Handhabe gegenüber der Institution Universität geben, schließlich bestimmt die Nachfrage das Angebot. Die Nachfrage nach beruflicher Orientierung und sozialer Absicherung ist in Anbetracht der herrschenden sozialen Ungleichheit außerordentlich groß. Jeder soll die gleichen Chancen haben, in dem herrschenden System aufzusteigen. Das heißt, der Einzelne soll für den Wettbewerb geschult werden, so dass möglichst jeder die Chance erhält, in ihm zu bestehen. Es sollen Anreize geschaffen werden, sich zu bilden und zu forschen, denn ohne diesen Motor sei Stillstand zu befürchten. Für die Forschung werden Drittmittel als Indikator für gesellschaftliche Relevanz angesehen, Nachfrage soll das Angebot stärker steuern und somit Forschung gezielter und effizienter gestalten. Politiker, Professoren und Studenten sind sich nahezu einig, dass es einer Reform der Reform bedarf, um die Wettbewerbsvoraussetzungen zu verbessern. Überfüllte Räume, zu wenig Personal, zu viel Verwaltung; als zu Ineffizient wird die derzeitige Situation betrachtet. Man kann in der neuen Struktur seine Wettbewerbschancen nicht verbessern, sie verschlechtern sich sogar, darum, so die Wahrnehmung vieler, gibt es Proteste und Besetzungen.

Doch ob das Bachelor-/Masterstudium der „Erziehung zur Mündigkeit“ verpflichtet ist, wie es im Leitbild der Universität Hamburg noch zu lesen ist, wird öffentlich kaum diskutiert. Wir erinnern uns: „Die Forderung nach Mündigkeit scheint in einer Demokratie selbstverständlich“, doch wird sie außerhalb der Studierendenschaft kaum wahrgenommen, ja sie scheint auch in Anbetracht der ökonomischen Sachzwänge alles andere als selbstverständlich. So gibt es Leserschreiben, die folgendes formulieren: „Mein Sohn ist jetzt an einer Uni, an der es viele Chinesen gibt. Die protestieren nicht, die arbeiten.“ Mit dieser Kritik müssen wir uns auseinandersetzen, denn sie ist gesellschaftliche Realität der Masse der Bevölkerung. Wir sehen uns derzeit der Gefahr selbstverschuldeter Unmündigkeit mehr den je gegenüber; um diese abzuwenden, bedarf es eben jener Entschließung, jenes Mutes, sich ohne Leitung eines Anderen seines Verstandes zu bedienen, um sich der Restrektionen eines eingetrichterten Bildungskanons zu erwehren, um Inhalte kritisch zu reflektieren und neue Inhalte zu erarbeiten.

Es sollte vielmehr die Frage gestellt werden: Wie frei ist Kunst und Wissenschaft in der Gesellschaft. Wofür werden die Wissenschaften und schließlich die universitäre Bildung eingesetzt, ist Profitmaximierung und Wettbewerb ein gesellschaftliches Interesse. Ergo: Ist die Ausrichtung der Forschung und Bildung auf Wettbewerb und Profitmaximierung, sprich auf die herrschende Doktrin, im Interesse der gesamten Gesellschaft und wird sie dem Grundsatz der Freiheit gerecht. Was ist das „wahre Amt und Ziel der Wissenschaft“, dieser Frage entzieht man sich auf nahezu allen Ebenen. Nun ist es an uns, die neurotische gesellschaftliche Abwehr dieser Fragestellung zu analysieren und die Pathologie dieser Ignoranz zu deuten und öffentlich zu machen.

Es geht nicht um Studienbedingungen, sondern um Studienziele und Studieninhalte. Die Diskussion um die Studienbedingungen ähnelt einer Diskussion darüber, wie man die gesunde Entwicklung eines Kindes am besten unterbinden könnte, ob durch rohe physische oder subtile psychische Gewalt, selbstverständlich in der Annahme, etwas Positives zu erwirken.

Das selbstständige Lernen, die freie Wahl der Vorlesungen und Seminare, wird durch Druck unterbunden; also wird der Entschluss und der Mut, sich seines Verstandes zu bedienen, nicht nur erschwert, wie dies bisher durch die allerorts lockende Kultur- und Meinungsindustrie geschieht, sondern verhindert. Damit wird entweder die Selbstverständlichkeit der Forderung nach Mündigkeit in der Demokratie oder aber die Demokratie selbst in Frage gestellt.

Wissenschaft und Bildung sind durch diesen Prozess, so die Hypothese, durch Gefolgschaft gegenüber den Interessen von Wirtschaft und Politik, am Werke ihrer Selbstzerstörung.

„Was die eisernen Faschisten heuchlerisch anpreisen und die anpassungsfähigen Experten der Humanität naiv durchsetzten: die rastlose Selbstzerstörung der Aufklärung, zwingt das Denken dazu, sich auch die letzte Arglosigkeit gegenüber den Gewohnheiten und Richtungen des Zeitgeistes zu verbieten“ konstatierten Adorno und Horkheimer in der Vorrede zur „Dialektik der Aufklärung“. Sie forderten damit, den Gewohnheiten und Richtungen des Zeitgeistes zu widerstehen und standen so für die unabhängige und gesellschaftskritische Wissenschaft ein. Doch scheint dies in unserer derzeitigen Gesellschaftsform kaum möglich, die Bedingung hierfür ist, so fährt Adorno fort „… Wenn die Öffentlichkeit einen Zustand erreicht hat, in dem unentrinnbar der Gedanke zur Ware und die Sprache zu deren Anpreisung wird, so muß der Versuch, solcher Depravation [Verderbnis] auf die Spur zukommen, den geltenden sprachlichen und gedanklichen Anforderungen Gefolgschaft versagen …“ Genau das Gegenteil erleben wir, wenn ein Universitätspräsident zum „Hochschulmanager“ des Jahres gekürt wird. Die Gefahr, so Horkheimer und Adorno, besteht darin, dass die Wissenschaft, sobald sie aus ihrem kritischen Element gegenüber Gewohnheiten und Richtungen des Zeitgeistes heraustritt, als bloßes Mittel in dem Dienst eines Bestehenden agiert und somit wider Willen dazu beiträgt, sich negativ, gar zerstörerisch auszuwirken. Die Frage ist hierbei: Wie wirkt sich die Abhängigkeit von Drittmitteln der demokratisch nicht legitimierten Privatwirtschaft auf die Freiheit der Forschung und den Pluralismus in der Gesellschaft aus. Gibt es überhaupt eine kritische Wissenschaft, die mit den Prinzipen der Ökonomie, nach denen die Studenten der Zukunft sich bilden sollen, bestehen kann.

Gegenüber dieser Kritik an den timokratischen Verhältnissen, also der Herrschaft der Angesehenen und Besitzenden an der Universität, könnte man einwenden, der aufgeklärte Intellekt werde sich schon zu verteidigen wissen. Dem muss energisch widersprochen werden, denn Intellekt und Bildung besitzen keine Moral. Dazu Horkheimer und Adorno: „Das Wissen, das Macht ist, kennt keine Schranken, weder in der Versklavung der Kreatur noch in der Willfährigkeit gegen die Herren der Welt … Die Steigerung der wirtschaftlichen Produktivität, die einerseits die Bedingungen für eine gerechtere Welt herstellt, verleiht andererseits dem technischen Apparat und den sozialen Gruppen, die über ihn verfügen, eine unmäßige Überlegenheit über den Rest der Bevölkerung. Der Einzelne wird gegenüber den ökonomischen Mächten vollends annulliert“.

Interessant ist bei dem derzeitigen Prozess, dass die Geistes-, Erziehungs- und Rechtswissenschaften in Forschung und Lehre die gleichen Restriktionen auferlegt bekommen, wie die Natur- und Wirtschaftswissenschaften. Um den Druck zu erhöhen, sich dem Diktat der Sachzwänge der herrschenden Philosophie zu unterwerfen, womit die kritische Distanz eingebüßt zu werden droht, ist die Politik mit breiter gesellschaftlicher Zustimmung dazu bereit, Mittel zu streichen. Vernunft soll als Instrument unter die Leitung des Bestehenden gestellt werden, womit die Forderung nach Mündigkeit negiert wird; Demokratie, welche nur durch mündige Menschen aufrechterhalten werden kann, steht hier dem wirtschaftlichen und technischen Fortschritt scheinbar im Wege. Die Wahrnehmung der Gesellschaft ist dabei keine ignorante, sie fordert, dass sich die Geisteswissenschaften den gesellschaftlichen Sachzwängen unterordnen, wie sie selbst es tun muss, da ihr die Partizipation am kritischen Geist durch die Propaganda der Kulturindustrie kaum ermöglicht worden ist. Aber auch die intellektuelle Abschottung, Mutlosigkeit und Willfährigkeit gegenüber dem System von Seiten der Vertreter dieser Disziplinen führt unweigerlich zum Ausverkauf der Universitäten, den sie durch mangelnde Gesellschafts- und Systemkritik selbst mit zu verantworten haben. Hier fordert die Gesellschaft Teilhabe, die ihr bisher versagt blieb, da die Vertreter der Geisteswissenschaften das kritische Denken in kleinen Zirkeln betrieben und sich nicht trauten, gegen den dominierenden Zeitgeist wirksam zu schreiben und zu sprechen, ja sich sogar von ihm vereinnahmen ließen. Nicht nur die Studenten haben sich in Anpassung geübt. Anpassung wird abverlangt und durch die Kulturindustrie erleichtert, in dem sie künstliche Nischen der Pseudoindividualität schafft, Gruppen also, die sich als Absatzmarkt für jeweils spezifische Kleidung und Musik eignen. Damit sind wir Teil dessen, was wir hier bekämpfen, Teil des unkritischen Geistes geworden. Die Vereinnahmung der Universität durch das Prinzip der Ökonomie scheint somit die Folge einer Entwicklung zu sein, in der man die Generation 68 mit Kulturwaren und einer liberalisierten Sexualmoral besänftigte. Der Preis dafür ist die Akzeptanz des Bestehenden, wie wir sie von den Organisationen und Parteien, welche sich aus dieser Generation heraus entwickelten, lesen, hören und erfahren können.

Wenn wir weiterhin der Auffassung bleiben, die Gesellschaft sollte Forschung und Lehre Freiheit gegenüber den gesellschaftlichen Sachzwängen, die unbestreitbar bestehen, ermöglichen, dann kommen wir nicht umhin, der Gesellschaft die Teilhabe am kritischen Geist zu gewähren. Dies kann nur geschehen, indem wir nicht nur einen Halt des Neoliberalismus vor unserem Bildungs- und Wissenschaftsideal fordern, sondern indem wir weitergehend eine Veränderung der bestehenden timokratischen Gesellschaftsform in Betracht ziehen, beziehungsweise fordern.

Viele Studenten erheben nunmehr nach 41 Jahren endlich Einspruch. Der Scheinfrieden zwischen dem Bestehenden und den Studierenden muss hiermit aufgehoben werden, wir müssen Kultur- und Gesellschaftskritik üben, sonst ist die Zurichtung der Wissenschaft zum unkritischen intellektuellen Werkzeug unvermeidbar und auch gesellschaftlich legitim.

Pressemitteilung aller besetzten Bildungseinrichtungen in Hamburg

"wir werden immmer mehr"

(1.12.09, Hamburg) Die Proteste gehen weiter: Sie begannen mit der Besetzung des Audimax vor knapp drei Wochen. Inzwischen haben sich mehrere Hamburger Hochschulen der Bewegung mit eigenen Besetzungen angeschlossen. Dabei sind die TU Harburg, mehrere Departements der HAW, Studierende des “Pferdestalls”, des Instituts für Soziologie und Politikwissenschaft, sowie ein Aktionsbündnis der (Ex-)HWP.
Gemeinsam protestieren die Studierenden für ihr Recht auf gebührenfreie Bildung für alle und strukturelle Veränderungen ihrer Hochschulen, hin zu mehr Mitbestimmung.
In Hinblick auf die Folgen der Schulzeitverkürzung in Hamburg befürchten die Studierenden 2010 gewaltige Kapazitätsengpässe an allen Hamburger Hochschulen.

„Die Besetzungen an den anderen Hochschulen zeigen uns, dass wir mit unseren Forderungen nicht alleine sind. Sie gelten für das gesamte Bildungssystem!“, so Clara H., Germanistik-Studentin und von Anfang an im besetzten Audimax dabei.

Die Besetzung als Ausdrucksform der Proteste symbolisiert die Entschlossenheit tausender Studierender in ganz Deutschland, sich nicht mehr mit kurzweiligen Zugeständnissen im Gefolge großer Demonstrationen zufrieden zu geben. Am vergangenen Wochenende fand in München ein internationales Vernetzungstreffen statt, an dem sich auch VertreterInnen aus Hamburg beteiligten. Europaweit kämpfen dieser Tage die Studierenden für eine tiefgreifende Verändeung der Bolognareformen: Für die Entschleunigung, die Gebührenfreiheit und die Unabhängigkeit des Studiums von wirtschaftichen Profitinteressen.

“Wir fordern den Hamburger Senat auf, endlich auf die Proteste zu reagieren und unsere Forderungen umzusetzen”, so Daniel M., Maschinenbau-Student an der TU Harburg.

Am kommenden Mittwoch, den 2. Dezember um 14:00 Uhr wird es eine gemeinsame Demonstration mit Treffpunkt vor dem Audimax der Universität geben.
Bildungseinrichtungen sind keine Unternehmen!


Weitere Infos: hamburgbrennt.blogspot.com
Kontakt Audimax Uni Hamburg: 0175-8132363
Kontakt TU Harburg: 0176-50572612
Kontakt HAW Saarlandstraße: 01621930127
Kontakt (Ex-)HWP: 01773865113
Kontakt “Pferdestall”: 01736038130
Kontakt HAW Armgartstraße : 017696981752

Erklaerung des Praesidiums zur Besetzung von Universitaetsgebaeuden

Liebe Mitmenschen,

das Plenum des besetzten Audimax bezieht Stellung zu einem Schreiben, dass am Montag, den 30.11.2009 über Stine an alle Studierenden der Universität Hamburg verschickt wurde.

Eine lebendige Diskussions- und Streitkultur gehört von jeher zu unserer Universität. Hierin stimmen wir überein mit dem Präsidium. Inwiefern das Präsidium sein eigenes Verhalten als Beitrag zu einer eben solchen sieht, ist uns jedoch schleierhaft.
Zur demokratischen Lebendigkeit gehört für uns auch, dass sich alle Studierende ihrem eigenen Gewissen verpflichtet fühlen und nicht alle Verantwortung Repräsentant_innen übergeben. Diese Meinung teilten über Tausend Studierende in den vergangenen Wochen, in dem sie in mehreren Vollversammlungen zuerst ihre Besorgnis und dann ihren Unmut über getroffene Entscheidungen kund taten.

Mit Ihnen freuen wir uns am Interesse der Studierenden die Studienbedingungen zu verbessern. Wir fordern in diesem Zusammenhang, dass unsere Vorschläge nicht nur „gehört“ werden. Wir fordern die Partizipation aller vom Bildungssystem Betroffenen. Dass es dafür grundlegender Reformen bedarf, ist uns bewusst.
Es stimmt, die Universitätsleitung kann das Hochschulgesetz und die Studiengebühren nicht direkt beeinflussen. Jedoch sollte sie der Meinung der Studierenden (97% der Studierenden sprechen sich gegen Studiengebühren aus) mehr Bedeutung zukommen lassen und sie an die entsprechenden Stellen weitergeben. Nach dem Hochschulgesetz stand es dem Akadamischen Senat (AS) frei, den Namen des Kandidaten bekannt zu geben und ihn öffentlich zu diskutieren. Und erst recht verbot es Dieter Lenzen nicht, sich den kritischen Fragen der Studierenden zu stellen. Das Hochschulgesetz zwingt den AS auch nicht, die Meinung von über 1000 besorgten Studendierenden zu ignorieren. Dieses Verhalten wird von uns nicht wegen des Hochschulgesetzes kritisiert, sondern aufgrund dieser Ignoranz gegenüber der genannten Studierendengruppe.

Wir freuen uns darüber, bisher hier geduldet worden zu sein, hätten aber einen offenen Dialog einer passiven Duldung vorgezogen. Tatsächlich befinden sich im Audimax auf Grund der Studienbedingungen nicht die Mehrzahl der Studierenden. Rund 20.000 Studendierende würden das Audimax aber auch sprengen. Wir sind ausdrücklich dazu bereit, unsere Motive für diese Besetzung offen zu legen und in einen konstruktiven Dialog mit allen Kritikern der Besetzung und dem Präsidium zu treten! Zum wiederholten Male laden wir daher das Präsidium ins Audimax ein, und dazu alle Intressierten, die denken, dass eine Besetzung nicht gerechtfertigt sei. Gerne diskutieren wir im Plenum die anstehenden Probleme.

Das Plenum des Audimax hat heute zu dem Schreiben folgendes beschlossen:
Alle Fluchtwege werden frei geräumt. Wir möchten mit dem Brandschutzbeauftragten der Uni zusammenarbeiten, um die Sicherheit zu gewährleisten. Die Herzen sollen brennen, nicht das Audimax.
Die Drohung, wir würden rechtlich wegen Hausfriedensbruch belangt werden, wird von uns zurückgewiesen, weil es sich beim Audimax um UNSERE UNI handelt. Das Audimax war am Mittwoch den 11.11. öffentlich zugänglich, entsprechend kann auch nicht die Rede davon sein, wir wären widerrechtlich eingedrungen (1. Tatalternative), noch haben wir uns trotz Aufforderung der Verwaltung unbefugt aufgehalten (2. Tatalternative). Mithin liegt der Tatbestand des Hausfriedensbruchs nach §123 StGB nicht vor.
Die Uni gehört nicht dem Präsidium, auch nicht den Besetzenden, sondern sie ist ein 'halböffentlicher Raum' und gehört allen. Warum sprechen sie nicht mit uns, sondern drohen mit Geld- oder Freiheitsstrafe? Dies wird uns nicht abschrecken, sondern vielmehr den Zusammenhalt fördern.

Aus der Gemeinschaft der hier Aktiven werden sie es nicht schaffen, Einzelne zu belangen. Auch wenn wir in den Meinungen eine heterogene Gruppe sind, eint uns doch die Überzeugung, dass wir hier her gehören und zur Weiterentwicklung der Universität und deren gesellschaftlichen Verpflichtungen beitragen.

Die Stadt Hamburg wollte zwischen 3 und 20 Milliarden Euro investieren, um für die Uni eine räumliche Perspektive zu schaffen. Nächstes Jahr kommen 15% zusätzliche Erstsemester an die Universtät, für die weder mehr räumliche Kapazitäten, noch finazielle Mittel zur Verfügung gestellt werden sollen! In diesem Sinne weisen wir mit unserer Besetzung nur auf einen Umstand hin, der uns im kommenden Wintersemester, aufgrund des doppelten Abiturjahrganges, sowieso ins (besetzte) Haus stünde.

Da dies nicht die einzige prekäre Situation ist, haben wir einen Forderungskatalog ausgearbeitet, der auf folgender Internetseite eingesehen werden kann: www.mafiasi.de/uni-brennt

Wir stimmen in diesem Sinne voll darin überein, dass eine Veränderung der Situation nur im Dialog geschehen kann. Dass wir dazu bereit sind, geben wir schon lange bekannt. Nun ist das Präsidium an der Reihe, seinen Angeboten auch Taten folgen zu lassen und sich hier im Audimax einer breiten Öffentlichkeit zu stellen.

Mit bunten Grüßen

Das Audimax Hamburg
Von Melle Park 4
20146 Hamburg

Montag, 30. November 2009

Erklaerung des Praesidiums zur Besetzung von Universitaetsgebaeuden

Liebe Studierende,

eine lebendige Diskussions- und Streitkultur gehört von jeher zu unserer Universität. Wir freuen uns über das Interesse unserer Studierenden an einer Mitgestaltung ihrer Studienbedingungen und sind an einem Dialog mit Ihnen über Sachverhalte, die wir als Präsidium beeinflussen und verändern können, sehr interessiert. Dies wären zum Beispiel Ideen für eine Verbesserung der Studienbedingungen und die Reform des Bologna-Prozesses. Hier sind wir bereits aktiv, möchten aber konstruktive Vorschläge gerne hören. Auch in den akademischen Gremien erörtern wir unter reger Beteiligung der Studierenden viele Studium und Lehre betreffende Fragen.
Themen wie die Abschaffung von Studiengebühren oder andere Rahmenbedingungen, die durch das Hamburgische Hochschulgesetz vorgegeben sind, gehören nicht zu den Dingen, die eine Universitätsleitung entscheiden kann. Bei der Evaluation des Hochschulgesetzes beispielsweise sind alle Mitglieder der Universität dazu aufgerufen, Vorschläge zu unterbreiten. Diesem Anliegen wird in den verschiedenen Gremien der Universität auch bereits nachgegangen. Grundsätzlich ist die Universität Hamburg aber verpflichtet, sich im Rahmen der geltenden Gesetzgebung zu bewegen.

Einige von Ihnen halten seit über zwei Wochen das Audimax unserer Universität besetzt. Wir sehen dies als Ausdruck studentischen Engagements und haben diese Aktion aus diesem Grund bisher toleriert. Gleichwohl sehen wir, dass die Mehrzahl von Ihnen an diesen Aktivitäten nicht beteiligt ist. Viele von Ihnen beschweren sich mittlerweile zu Recht bei uns, da sie sich bei ihrem Studium behindert sehen.
Ein Kernauftrag einer Universität ist es, dafür Sorge zu tragen, dass alle Studierenden ihrem Studium ungehindert nachgehen können. Ein weiterer Auftrag ist es, Sicherheitsstandards im Gebäude (z.B. Fluchtwege) zu gewährleisten. Dies ist in besetzten Gebäuden nur sehr eingeschränkt gegeben. Deshalb wird die Universitätsleitung weiterhin über ihre Handlungsalternativen nachdenken müssen.

Wir möchten an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die Besetzerinnen und Besetzer unter Ihnen auch ein persönliches rechtliches Risiko eingehen: So begeht jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin bei fortgesetzter Besetzung von Universitätsgebäuden Hausfriedensbruch, der gem. § 123 StGB mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe bestraft werden kann. Ferner können durch die Besetzung Schäden am Gebäude oder Einrichtungsgegenständen entstehen, für die im Zweifel eine gesamtschuldnerische Haftung besteht mit der Folge, dass nach rechtlicher Prüfung der genaueren Umstände des Schadensereignisses auch einzelne Besetzer für den Gesamtschaden aufzukommen hätten. Die zivilrechtliche Haftung erstreckt sich hierbei auf alle Schäden, die kausal auf die Besetzung zurückgeführt werden können. Schäden, die aus der Masse der Besetzerinnen und Besetzer heraus entstehen, können somit für den Einzelnen mit hohen finanziellen Forderungen verbunden sein.

Die andauernde Besetzung ist für die Universität mit hohen Kosten verbunden, die vorwiegend zu Lasten des Haushaltes für Studium und Lehre gehen, z.B. durch die erforderliche Anmietung von Ersatzräumlichkeiten.

Wir appellieren deshalb an die Studierenden, die das Audimax derzeit besetzt halten, das Audimax freizugeben. Wir bieten weiterhin einen Austausch der Hochschulleitung mit dem Asta, gewählten Studierendenvertreter/innen und anderen interessierten Studierenden an.

Denn wir sind überzeugt davon, dass wir nur im Dialog eine Veränderung der jetzigen Situation herbeiführen können, und möchten daher weiterhin das konstruktive Gespräch mit allen Studierenden suchen.

Mit freundlichen Grüßen

das Präsidium der Universität Hamburg

Edmund-Siemers-Allee 1
20146 Hamburg